Foto: Tobi Deckert
Unterwegs

Hike and Fly statt Stop and Go!

"Hike and Fly" - ein nicht mehr ganz so neuer Trend unter gleitschirmfliegenden Wanderern. Dennoch so beliebt wie nie zuvor. Deshalb stellt euch heute Tobi Deckert seine morgendliche Sportroutine auf OUTSIDEstories vor. Diese findet vor allem draußen am Berg bzw. in der Luft statt.

Hike and Fly Aufstieg

4:30, der Wecker reißt mich aus dem Bett. Wie ein Zombie wandel ich durch die Küche, um mir gerade noch eine Banane und ein großes Glas Wasser hinein zu schütten. Dann geht es mit dem Auto zum vereinbarten Treffpunkt. Natürlich hatte ich am Vorabend schon meinen Schirm und Retter samt Gurtzeug und Helm sauber zu einem kleinen Paket geschnürt. Das wiegt gerade mal knapp siebeneinhalb Kilo und hat etwa die Größe eines Kopfkissens besitzt.

Ähnlich verschlafen treffe ich an der Landewiese auf meine Kollegen, mit denen ich Hike and Fly mache. Trotz der frühen Morgenstunde steht allen die Motivation ins Gesicht geschrieben. Wir können nämlich schon erahnen, was uns oben erwartet. Im Moment noch ist alles stockfinster und wir klappen unsere Teleskopstöcke aus.

Zuerst der Aufstieg, dann das Vergnügen

Der Tag begrüßt uns und es fängt an zu dämmern. Bergauf mit schnellen Schritten kann ich bereits erkennen, dass uns ein traumhafter, wolkenloser Tag bevorsteht. Die Gruppendynamik treibt mich an - über Stock und Stein steigen wir durch den Wald hindurch auf. Es wird immer wärmer - auf der ersten Lichtung ziehe ich bereits den Pulli aus, trinke einen Schluck Wasser und knipse das erste Selfi für die Instagram-Story - klar, solche Erlebnisse muss ich festhalten und mit anderen Gleichgesinnten teilen.

Es wird steiler, der Wald lichtet sich und wir füllen noch ein letztes Mal an einem natürlichen Bach unsere Trinkflaschen auf. Der Gipfel wartet auf uns. Mittlerweile ist es 5:45 Uhr und ich kann bereits die ersten kleinen Windböen in meinem Gesicht spüren - zum Glück, der Wind kommt aus der richtigen Richtung. Es sieht sehr vielversprechend für einen guten Start aus. Nur noch ein paar Minuten, denn wir können den Startplatz jetzt schon sehen.

Hoch auf dem Berg geht die Sonne früher auf

Egal wie oft ich diesen Moment erlebe, es ist immer wieder unglaublich! Die Sonne beginnt über den Berggipfeln hinweg zu steigen und lässt unseren Startplatz in einem magischen Licht erstrahlen. Zusätzlich belohnt uns ein traumhafter Blick auf den Chiemsee. Erstmal genießen wir unsere Brotzeit in der Morgensonne. Anschließend fange ich langsam an mich umzuziehen und mein Material vorzubereiten. Ich wechsel mein nasses T-Shirts gegen eine dünne Daunenjacke und verpacke meine restliche Ausrüstung in meinem Rucksack. 

Beim "Hike and Fly" ist der Rucksack in der Regel gleichzeitig das Gurtzeug, mit dem ich an meinem Schirm hänge. Deshalb ist es gerade jetzt wichtig alles sorgfältig zu verstauen. Außerdem mich mental auf den Start vorzubereiten. Sozusagen der zweite Teil von Hike and Fly. In aller Ruhe breite ich den Schirm aus und sortiere meine Leinen. Die Schlaufen in die Karabiner eingehängt, den Rettungsschirm gecheckt und alle Verschlüsse am Gurtzeug geprüft. Dann schaue ich nochmal in die Luft und beobachte die Windfahne.

Hike and Fly Abflug

Routinierte Vorbereitung für Hike and Fly vor dem großen Sprung

Da kommt die Böe! Alle sind startklar, go go go! Während ich an meiner vordersten Line ziehe und einen kurzen Sprint hinlege, spüre ich wie sich mein Schirm langsam mit Luft füllt und anfängt zu ziehen. Im nächsten Moment ist er über mir. Ich werde an den Karabinern nach oben gezogen und spüre keinen Boden mehr unter den Füßen.

 

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Ich blicke nach oben, alle Leinen sind in Ordnung und hinter mir sehe ich wie meine Kollegen abheben. Es ist einfach unglaublich - so ein kleiner Fetzen Stoff und wir besiegen die Schwerkraft. Das Schöne am morgendlichen Gleitflug ist die ruhige Luft. Zwar gibt es noch keine Thermik, mit der man es schafft stundenlang in der Luft zu kreisen. Aber das Pfeifen der Leinen, die wie ein heißes Messer durch die Butter schneiden, ist ein mindestens genauso unglaubliches Gefühl.

Wir sind nun alle etwa auf gleicher Höhe nebeneinander und genießen die unendliche Aussicht auf den Chiemsee und das Alpenvorland. In der Ferne sehen wir ganz klein, weitere "Hike and Fly" Enthusiasten, denselben Weg hinauf gehen.

Hike and Fly Flug 1

Aufregender, turbulenter Arbeitsweg

Ich fliege um die nächste Bergspitze herum und warte auf den Moment, an dem ich die größte Höhe erreicht habe. Es geht los - ich ziehe mit aller Kraft an meiner linken Bremse und lehne mein Gewicht ebenso komplett nach links. Mein Schirm stellt sich auf die Nase und fängt an zu kippen.

In einer drehenden Bewegung drückt es mich in das Gurtzeug und ich schraube mich nach unten. Langsam lasse ich nach, bremse dagegen und ziehe an der rechten Seite. Der Schirm nutzt den Schwung und schaukelt mich auf die andere Seite und wieder zurück. Das Gefühl der kurzen Schwerelosigkeit ist einfach nur geil - die "Riesenschaukel-Bewegung" wird im Fachjargon auch "bring over" genannt. 

 

 

Grüne Welle auf dem Weg zur Arbeit

Allmählich kommt der Boden näher und es wird Zeit Ruhe in das Geschehen zu bringen. Die Sonne steht mittlerweile etwas höher und strahlt mehr wärme aus. Der erste Wind setzt ein und es ist etwas Planungs-Geschick gefragt, um die Landung perfekt einzuteilen. Meine Füße drücken die Leine, um den Schirm nochmal kurz zu beschleunigen, noch zwei Kurven und ich bereite den Landeanflug vor. Kurz über dem Boden ziehe ich beide Bremsen.

Das Sinken federt den Schirm ab und ich stehe wieder mit beiden Füßen auf dem Boden. Der Schirm fällt langsam über mir zusammen. Dieser Moment durchflutet meinen ganzen Körper jedes Mal mit einem unglaublichen Gefühl der Freude, welches nicht zuletzt durch den Adrenalin Kick ausgelöst wird. Kurze Zeit später landen auch meine Arbeitskollegen neben mir mit exakt dem gleichen Freudenschrei und Grinsen im Gesicht.

Hike and Fly Flug 2

Es ist nun 8:15 Uhr, ich packe meinen Schirm zusammen ,springe noch schnell unter die Dusche und bin gewappnet für den Arbeitsalltag.

Voller Energie freut sich unser Autor Tobi Deckert (www.tobideckert.de) auf neue Herausforderungen. Als Produktentwickler seiner Backpackingmarke tronature (www.tronature.com) und seinem aufblasbaren Dachgepäckträger ShredRack (www.shredrack.com) wird es nie langweilig. Was er so macht und welche Produkte für dich interessant sein könnten, erfahrt ihr auf seinen Seiten.

Außerdem findet ihr hilfreiche Produktbewertungen zu tronature bzw. ShredRack auf OUTSIDEstories.