Im test

Test: PIRELLI Cinturato Gravel M Classic 650b Speedgrip 45 mm - Reifen, Gravelbike

PIRELLI Cinturato Gravel M Classic 650b Speedgrip 45 mm - Reifen, Gravelbike
Gravel-Bereifung ohne Kompromisse - montieren und vergessen
Bewertung Ø: 4.00 Sterne

Vorteile

  • Tubeless Ready (Dichtmilch statt Schlauch möglich)
  • Montage bei mir ohne Kompressor möglich
  • bei entsprechender Breite gut geländegängig
  • trotzdem sehr gute Lauffreudigkeit auf der Straße
  • macht sehr hochwertigen und robusten Eindruck
  • leistet absolut das, was versprochen wird

Nachteile

  • bei Tubeless-Montage kurz undicht (Linien an Seitenwand)
  • geringer Stollenabstand, daher etwas rutschig
  • Zwischenwelt, zwischen schnellen schmalen und wirklich matschtauglichen Stollenreifen
  • ein Kompromiss (aber dadurch sehr vielseitig)
  • Stollen an Kanten könnten gern aggressiver sein
  • für mich nur ein Sommerreifen, aber ein guter

Bewertung

Mein Gravelbike - das Bombtrack Hook EXT - ist mein Arbeitstier. Wuchtige Carbon-Gabel, Stahlrahmen, gefedertes Cockpit und breite Reifen. Im letzten Sommer bin ich auf einer 2-monatigen Bikepacking Tour durch Schweden 47 mm Slicks gefahren. Taschen ran, Hänger dahinter und Asphalt sowie leichten Gravel unterm Reifen. 

Im Winter hatte ich 50 mm breite Cross Country Reifen drauf. Leichte Stollen, weniger Druck drauf, genau passend für schlechtes Wetter im Gelände und meine Hanse Gravel Bikepacking Tour dieses Frühjahr. Was man jedoch von einem Gravel Bike erwartet ist, dass es ein Bike für alles ist und dem Gedanken steht ein Umbau je nach Einsatzzweck etwas entgegen.

Jetzt hat Pirelli mich mit dem Cintorato Gravel M ausgestattet. Und der Reifen haut genau in die Kerbe. Ich fahre ihn tubeless in der 650b x 45 Variante, auf meinen 23er Felgen baut er auf 47 mm auf, hat brauchbare Stollen fürs Gelände, diese bilden aber eine wirklich anständige Lauffläche in der Mitte. Ich weiß gar nicht, ob ich den Reifen überhaut irgendwann wieder runternehmen werde, vielleicht gegen Spätherbst oder Winter. Getestet habe ich ihn auf einer Bikepacking Tour durch Schweden und Norwegen und hab hier absolut gar nichts negatives daran gefunden.

Mein Winter Bikepacking SetupCinturato Gravel M neue Maentelauf Bikepacking nähe Strömstad in Schweden

Montage

Breitere Reifen fahre ich prinzipiell tubeless. Das heißt, ich montiere sie auf einer geeigneten mit Felgenband und Ventil abgedichteten Felge und gebe nach der Montage Dichtmilch hinein. Diese Milch dichtet die letzten feinen Stellen ab und wartet dann auf ihren Einsatz. Für den Fall, dass der Mantel durchstochen wird, verschließt sie die Stelle direkt von innen und sollte die Milch allein mal nicht ausreichen, habe ich griffbereit am Oberrohr ein entsprechendes Werkzeug mit Stopfen.

Da sich der Reifen bei der Montage aber nur aufpumpen lässt, wenn er fest auf dem Rand der Felge sitzt, man ihn dort aber nur durch Aufpumpen hinbekommt, ist die tubeless-Montage gelegentlich etwas schwierig. Dieser Reifen ließ sich auf meine WTB Felgen jedoch sehr gut aufziehen. Alte Dichtmilchreste entfernt und etwas Spülmittel auf den Felgenrand, rutschte der Reifen mit Hilfe einer normalen Standpumpe und gut Armkraft irgendwann in Position. Dabei hilft enorm, dass sich beim Reifen die beiden Kanten nicht in die Reifenmitte ziehen, sondern sich nach außen gegen das Felgenbett legen. Da hatte ich mit anderen Reifen schon ganz andere Situationen.

Abschließend noch Dichtmilch durch den Ventilstamm eingefüllt und erneut aufgepumpt hielt er dann auch bald dicht. Abgesehen davon der Felgenband- und Ventilmontage von vornherein die nötige Sorgfalt zukommen zu lassen, lohnt sich nach der Montage das ausgiebige Schwenken, um die Milch gerade an den Seitenwänden zu verteilen.

Etwa alle 12 cm verlaufen kleine Linien in der Seitenwand von den Stollen bis runter zum Rand, der in der Felge sitzt. An diesen nach außen stehenden Linien ist der Reifen nach Montage erst einmal undicht. Bei mir war dies jedoch nur ein Problem von sehr geringer Dauer.

Tubeless Montage mit StandpumpeDichtmilch tritt am Felgendrand ausein Traum von BikePacking von Göteborg nach Oslo

Features

  • Profil: 2 mm Stollen mit nahe zu geschlossener Lauffläche innen und weit offenen Stollen außen
  • Gummimischung SpeedGRIP: Rolleffizienz + Abriebfestigkeit + Nässehaftung
  • gewebte Nylon-Zwischenlage: Schnitt- und Durchstichschutz (auch an den Seiten)
  • 3 bis 4 Nylon-Innenschicht: 127 tpi * (äußerste Schicht nochmal stabiler)
  • TLR tubeless-ready: Aramid-Falt-Wulst optimiert für breite Felgen und geringeren Reifendruck

*höhere tpi-Zahl (mehr Fäden pro Zoll = dünnere Fäden = flexibleres Gewebe (eher für Straße, dafür mehrlagig)

das SetUpdas Vorderradder Reifen

Performance

In aller erster Linie soll einen ein Reifen voranbringen. Und Junge dieser hier rollt wirklich gut. Obwohl der für einen Gravel Reifen typische Kompromiss zwischen Leichtgängigkeit auf der Straße und Traktion im Gelände hier mehr zu Gunsten der Geländegängigkeit ausfällt, bin ich absolut begeistert.

Das Urteil hängt natürlich aber auch von den Testbedingungen und Anforderungen des Fahrers ab. Gefahren bin ich den Reifen vor allem auf einer Tour von Göteborg nach Oslo. Viel Gepäck, viel Straße, aber auch mal quer durch den Wald. Zudem ist der Blickwinkel entscheidend. Ich bin neben meinen Rennradfahrten jüngst ein 29er Hardtail Mountainbike mit 2.8" breiten Reifen gefahren, durfte mich zusammen mit anderen Produktscouts auf unserem jährlichen Treffen durch schmale matschige teils gut steile Waldwege arbeiten.

Und aus deiner Perspektive heraus kann ich meine anfangs betonte Begeisterung nur nochmal unterstreichen. Natürlich ist und bleibt es auch bei der breite ein Gravel Reifen. Besonders auf der Straße und gut gepacktem Geröll rollt er einfach nur so vor sich hin. Sobald eine Steigung jedoch mit losem Untergrund oder Wurzelwerk daherkommt, wird es etwas rutschig. Ich hatte aber nie den Eindruck, dass der Reifen nicht das tut, wofür er gedacht ist. Dass er mal zu rutschig war, ich mich in einer schnellen Kurve im Stich gelassen fühlte, kam auch nicht vor. Alles Weitere wird wohl der Langzeittest zeigen.

Norwegische Grenzeganzes Setup auf dem Ekeberg in OsloSetup mit Solar und Kind

Material

Die Materialien sind typisch für einen Reifen in diesem Segment. Gummi muss außen drauf, klar. Das entscheidende an einem Reifen ist aber das Innenleben. Das innenliegende Gerüst ist aus einem Nylongewebe, das mit durchschnittlicher Fadenstärke einen tpi-Wert von 127 erzielt. Steifere Mountainbike Reifen kommen schon mal auf nur 60 Fäden pro Zoll, ausgewählte Hersteller arbeiten aber auch mit flexiblem Gewebe bis 320 tpi. 120 tpi ist jedoch typisch für Performance Cross Country oder Straßen Reifen.

Zudem wird bei besonders hochwertigen Reifen Kevlar eingesetzt. Dieses besonders widerstandsfähige Material wird in diesem Reifen im Rand, der faltbaren aber zugfesten Kante eingesetzt. Über dem an den Seiten zwei- in der Mitte dreilagigen Nylongerüst befindet sich eine weitere einfache Lage aus nochmal festerem Nylongewebe. Diese Schicht dient vor allem dem Schutz gegen Durchdringen. Es wird den Reifen an sich aber sicher etwas steifer machen.

Was auffällt ist, dass die Gummimischung über den ganzen Reifen sie selbe ist. Gerade bei einem Reifen, bei dem die Lauffläche eng fast geschlossen ist und die Gummimischung auf Rolleffizienz getrimmt ist mit leichtem Abzug beim Gripp, wäre der Einsatz einer weicheren Mischung mit mehr Haftung die Stollen ganz am Rand betreffend von großem Vorteil. Hier wird der Biss in der Kurve aber nur durch ein offeneres Profil mit gleichstark ausgeprägten Stollen unterstützt. Ein Vorteil dabei ist jedoch, fährt man viel Straße oder sehr festen Schotter, so bleibt die Geschwindigkeit auch in der Kurve etwas höher.

Profil des Reifens platt gedrücktReifen im Querschnitt

Daten

  • Größen: 700 x 35/40/45 c, 45/50 x 650b
  • Maße: baut in 23 mm (ETRTO 23-584) Felge auf 47 mm Breite auf (selbst gemessen)
  • Farben: Classic (braune Seitenwand), Yellow (schwarze Seitenwand)
  • Gewicht: 445 - 705 g (535 g als 45x650b Variante)
  • Einsatzbereich: gemischter bis loser Untergrund auf schnellen Sommerfahrten
  • Pannenschutz: hoch, durch 4 Gewebelagen aus 127 tpi Nylon

Hier mein Arsenal. Der Gravel M liegt da zwischen Gravel-Slicks auf der einen und Gravel-Offroad und Cross Country Reifen auf der anderen Seite.

mein Arsenalgepackt und fertig für die Piste

Reifenbreite

Die von Pirelli angebotenen Reifenbreiten liegen zwischen 35 und 50 mm. Der Cinturato Gravel M schließt damit an die Cyclocross Reifen an und schlägt die Brücke bis zu ernstzunehmenden Cross Country Bereifungen. Zudem setzt er oberhalb des Cinturato Gravel H an, der mit seinem feinen Profil für festeren Untergrund und weniger Offroadaction gedacht ist.

Ich würde die Reifenbreite aber neben der technischen Machbarkeit von Rahmen und Gabel von dem geplanten Einsatzfeld abhängig machen und dann einfach noch 5 mm drauflegen. Denn ganz im Ernst. Für den Gewinn an Komfort und Bodenhaftung ist der kleine Aufschlag an Rollwiderstand absolut verkraftbar. Dieser Reifen klingt eben nicht wie mein zuvor gefahrener Stollenreifen. Mit dem hatte ich das Gefühl einen Klettverschluss zu fahren. Die Haftung war auf der Straße deutlich zu hören, fast wie ein Trackerreifen. Die 45 mm (effektiv 47 mm) kommen mir jetzt hingegen schon fast etwas schmal vor.

nasse Steine und Wurzelnnasses Profil auf rutschigen Tannennadeln

Einordnung

Ein typischer Gravel Reifen sieht eigentlich eher aus wie ein Rennradreifen mit Ausschlag. Jene, die nicht nur nach einem Rennrad suchen, dass auch mal weniger guten Straßenbelag verkraftet und ihr Gravelbike gar in anspruchsvollem Gelände bewegen wollen, greifen meist zu Cyclocross Reifen - aggressives Profil, schmal und schnell - bleiben dabei aber unter einer entsprechenden Reifenbreite. Mein Monster Gravel kommt da eher aus der MTB Ecke bzw. sollte es eine tatsächliche Ergänzung zu meinem Rennrad darstellen, das leider keinen Laufradsatz mit breiten Reifen aufnehmen kann. Es kann daher wirklich breite Reifen aufnehmen und ermöglicht so noch mehr Komfort und neben der zusätzlichen Dämpfung auch ein breiteres Stück Gummi auf dem Boden. Diese Auflagefläche möchte man unter Umständen auch mit einem entsprechenden Profil versehen wissen, damit aus Unsicherheit auf losem Untergrund etwas wie Spaß und Schnelligkeit wird.

Nachdem ich vor 2 Jahren ein 220 und ein 280 km langes Gravel-Rennen mit meinem Rennrad (vorn 28 hinten 25 mm) gefahren bin, hat sich so eine Tendenz bei mir deutlich niedergeschlagen und hätte ich von vorn herein mir ein einziges Rad aussuchen dürfen, wäre sicher ein Cyclocrosser mit 2 Laufradsätzen (Straße und Gelände) draus geworden. Jetzt wo ich aber einen Panzer fahre, hab ich erst Cross Country Mountainbike und dann Gravel Slicks mit kleinen Stollen am Rand ausprobiert. Dass der Sweetspot bei dem mich normalerweise umgebenden Gelände und auch bei unserer Radtour durch Schweden und Norwegen irgendwo dazwischen liegt, hat sich im Test des Cinturato Gravel M absolut gezeigt.

Um den Reifen richtig einordnen zu können, muss man bei seiner Breite aber auch das mittig geschlossene Profil und die harte gut laufende Gummimischung sehen, die ihn gefühlt schmaler macht.

Cockpit im RegenFahren im Regen auf AsphaltHütte voll mit Kramalles am Rad und im Hänger, weiter geht´s

Resümee

Ich denke für mich als eher sportlichen Fahrer hier im nördlichen Flachland ist der Reifen optimal. Wenn ich schnelle Runden am Deich oder besonders lange Strecken fahren möchte nehme ich ohnehin mein Rennrad. Greife ich aber zum Gravelbike, so steht meist eine Tour mit etwas Gepäck überwiegend abseits befestigter Wege an. Und ganz im Ernst, jede Art von Mountainbike Bereifung wird hier überhaupt erst nötig, wenn es viel regnet oder schneit. Bis die Tage wieder deutlich kürzer werden, werde ich also den jetzigen Aufbau fahren und mir dank dem anständigen Material - gefüllt mit brauchbarer Dichtmilch - absolut gar keine Sorgen mehr mache müssen. Und Junge, wie der rennt, für einen Reifen mit so viel Profil!

Aber wie das bei Gravel und Kompromissen so ist. Vielleicht werd' ich so schnell keinen flach-profiligen Reifen oder Slick aufziehen, weil mir die Laufeigenschaften von diesem hier sehr gefallen. Aber für reine Geländetouren und Bikepacking Touren die überwiegend durchs Gelände gehen, werd' ich weiterhin die ein oder andere Alternative im Regal liegen haben. Ich denke aber, dass das ein Anspruch an die Reifenwahl ist, von der die allermeisten getrost werden absehen können.

Wie wurde das Produkt erworben?Ich bin ProduktScout - zum Testen von OUTSIDEstories
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