Im test

Test: SCHWALBE Marathon Plus - Rennradreifen (Smart Guard)

SCHWALBE Marathon Plus - Rennradreifen (Smart Guard)
Vom Rennrad zur geländegängigen Tourenmaschine
Bewertung Ø: 5.00 Sterne

Vorteile

  • unglaublich robust (5 mm Smart Guard Pannenschutz)
  • geringer Rollwiderstand trotz Pannenschutz
  • leichtes Profil und Reflektoren
  • stabile Seitenwand (bekommt erst spät Risse)
  • recyceltes Latex im Smart Guard wiederverwendet
  • E-Bike ready (alle E-25, wichtigeste Modelle E-50)

Nachteile

  • schwer für einen Rennradreifen (25er: 515 g)
  • Profil abgefahren, bevor er irgendwo schwächelt
  • sicher kein Schnäppchen
  • wohl nicht der schnellste Reifen
  • schlechte Kantenhaftung im Gelände
  • nicht Tubeless ready (ergibt hier auch wenig Sinn)

Bewertung

Vor 2 Jahren habe ich begonnen mein Felt Custom Rennrad zur Allround-Maschine umzubauen. Neben einem Rennradlenker mit weiten Untergriffen, einem gefedertem Vorbau und Mountainbike-Klickpedalen waren mir geeignete Reifen besonders wichtig. Sie sollten schnell auf der Straße sein, etwas Profil und Gripp bei Nässe und im leichten Gelände haben und vor allem möglichst robust sein. Ich fahre mein Rad beim scherbenreichen Weg zur Arbeit, beim Training am Deich, auf Langstrecken, Bikepacking-Touren und Gravel-Rennen und bin positiv überrascht, wie viel Schwalbes meist verkaufter Reifen - der Marathon Plus - so alles mit macht und wo letztlich seine Grenzen liegen.

Rennrad auf Langstrecke, 600 km am StückBikepacking Setup, 600 km in 2 Etappenauf Bikepacking Tour, 600 km in 2 Etappen

Mantel an sich

Der Marathon Plus ist ein Drahtmantel (kein Faltmantel). Die innere Schicht, die den Schlauch umfasst hat an den Seiten steife Drahtringe, die fest in die Felge greifen. Darauf  befindet sich mittig die 5 mm dicke Smart Guard Einlage, die zu den Seiten hin dünn ausläuft. Die Seitenwände kommen ohne extra Schutz aus. Über dieser Schicht liegt die äußere Schicht mit Profil und seitlichen Reflektoren.

Schwalbe sagt, dass der Reifen sehr viel aushalten würde, er unplattbar sei, der Pannenschutz nicht so sehr zu Lasten des Rollwiederstandes gehen würde, wie bei Nachahmerprodukten und die Seitenwand die Überlastung durch Stauchen bei zu geringem Luftdruck vergleichsweise viel länger aushalten würde, bevor sich Risse auftun. Zudem wird in dem Smart Guard recyceltes Latex wiederverwendet.

Die Reifen sind E-Bike ready, was bedeutet, dass sie sich für diese schwereren und schnellen Fahrräder anbieten dürften. Alle Marathon Plus Modelle sind für 25 km/h, die wichtigsten Modelle auch für 50 km/h getestet und zugelassen.

Auf der hauseigenen 6 Punkte-Skala ordnet Schwalbe den Mantel wie folgt ein: Rollwiderstand 3.5, Grip Straße 4, Grip off-Road 2, Schutz 6, Haltbarkeit 6

Seitenansicht 25er und 28er25er auf der FelgeMantel von Innen

Performance

Auf nassem Kopfsteinpflaster und glitschigen Fahrradwegen ist mir das Vorderrad schon ein paar Mal weggerutscht. Diese Stürze könnten aber auch meinem Fahrstil geschuldet sein. Mit der Haftung bin ich an sich ganz zu Frieden. Das flache Profil sorgt für etwas Sicherheit bei zugleich gutem und leisem Rollverhalten. Die umlaufenden Seitenreflektoren sind gerade in der Stadt eine große Hilfe. Im Fokus stand und steht für mich jedoch die Haltbarkeit. Wenn bei rund 10 000 km im Jahr, schnellen Deichrunden, tagelangen Bikepacking Touren, Langstrecken von bis zu 600 km am Stück und Gravel-Rennen über 220 und 280 km in für ein Rennrad völlig absurden Gelände nur ein einziger Platten auftritt bin ich doch mehr als zu Frieden.

Selbst in schwierigem Gelände lässt sich der Reifen gut handeln. Weit zurück lehnen, um das Vorderrad zu ent- und das Hinterrad zu belasten, kann Auftrieb und Spurtreue in losem Sand bewirken oder bei einer Vollbremsung das Blockieren des Hinterrades verhindern. Sanftes Abbremsen oder in die Kurve fahren kann zudem das Ausbrechen der Reifen verhindern. Wie immer ist es Gefühls- und Gewöhnungssache, der Mantel selbst trägt aber seinen Teil dazu bei.

Profil schräg von der SeiteProfil DraufsichtProfil Seitenansicht, ganz feine Stollen

Haltbarkeit und Grenzen

Natürlich sind die Mäntel irgendwann runter gerockt. Der Abrieb von Vorder- und Hinterreifen ist jedoch verschieden. Während der Vordere 25er nach 6000 km nur aufgeraut war und kleine Löcher in der äußeren Schicht aufwies und die Dicke von ursprünglichen 6 mm auf 5 bis 6 mm herunter gefahren war, sah es beim Hinterreifen schon ganz anders aus. Aufgrund des leichteren Blockierens bei Vollbremsungen hatte sich hier die Dicke über 6000 km von ursprünglichen 6 mm auf 2.4 mm abgerieben. Stellenweise schaute der blaue Durchstichschutz heraus und das Profil hatte sich in der Mitte gänzlich verabschiedet. Einen Platten hatte ich jedoch auch damit noch nicht.

Eine harte Gummimischung, die robust gegenüber scharfen und spitzen Gegenständen, sowie gegenüber Abrieb ist, hat leider eine schlechtere Haftung. Guter Gripp durch weiches Gummi verringert wiederum die Haltbarkeit. Die Marathon Plus haften einigermaßen gut am Boden, sind jedoch sehr robust. Scherben und spitze Steinchen haben dank  des blauen Durchstichschutzes keine Chance. Ich habe es dennoch geschafft einen Platten hinein zu fahren.

Nicht beim Pendeln durch die scherbenreiche Stadt, nicht durch zahlreiche Vollbremsungen, nicht durch Verkanten im Kopfsteinpflaster, sondern auf einem 280 km langen Gravel-Rennen. Während einer schnellen Abfahrt über steinigen losen Untergrund bin ich mit dem Hinterrad so hart aufgeschlagen, dass der 25er mit 80 psi / 5.5 bar ein Loch im Schlauch hatte.

Das war jedoch in den letzten 2 Jahren der einzige Platte. Natürlich ist 80 € pro Jahr für einen Satz Mäntel nicht wenig. Wenn das jedoch bedeutet, dass selbst anspruchsvolle Fahrten vom Stadtverkehr bis zu Graveltouren dadurch frei von Pannen bleiben ist das schon was wert.

durch Vollbremsungen bis auf den Durchstichschutz herunter abgeriebener Hinterreifendurch spitzes Steinchen herausgerissenes Gummi am Hinterreifenzerlöcherter und aufgerauten Vorderreifen

Daten

Gewicht: 515 g (25er), 635 g (28er)

Dicke: 6 mm (25er), 8 mm (28er)

Pannenschutz: 5 mm Smart Guard

E-Bike ready: alle Modelle E-25, wichtigste Modelle E-50

Recycling: Material aus alten Latexprodukten wiederverwendet

Platter durch Steinschlagim Sand, Heideauf Steinen, Harz

Reifenbreite

Ich fahre hauptsächlich den 25 mm Mantel. 23 mm Mäntel halte ich für unnötig unbequem und fragil. Selbst im Rennradsport geht der Trend wieder weg von den ganz dünnen Mänteln, die in punkto Rollwiderstand und Aerodynamik wohl doch nicht das Optimum sind. 28 mm oder mehr würden sich bei meinen Anforderungen anbieten, mehr Grip und Komfort bietet, doch passen sie nicht in meinen Rahmen.

Für den Fall, dass die maximale Reifenbreite ausgenutzt werden soll sind auch Kombinationen unterschiedlicher Breiten denkbar. Ein breiterer Reifen hinten bietet mehr Sitzkomfort, während z.B. ein 28er vorne, wie ich ihn letzten Sommer gefahren bin, mehr Sicherheit im Gelände bietet. Nicht nur, dass das Wegrutschen des Vorderreifens fatalere Folgen haben kann, ein breiter Reifen bietet auch mehr Auftrieb im Matsch oder feinen Sand. Den 28er habe ich jedoch wieder verbannt, hat er doch immer Matsch und Steinchen mit hoch gerissen, die den Spalt zwischen Gabel, Bremst und Reifen verstopft haben. Zudem haben die Steinchen die komplette Lackierung von der Innenseite der Gabel geholt. Zu breite Reifen können also auch zum Problem werden.

auf Feldweg, Gravelrennenauf Waldweg, an der OstseeStöckchen und Zweige im Weg, Gravelrennen

Tubeless

Mäntel lassen sich mittlerweile auch ohne Schlauch auf der Felge montieren. Damit das System die Luft hält müssen Felge und Mantel dafür ausgelegt sein (Tubeless ready), die Felge muss mit einem geeigneten Felgenband zu den Speichen hin abgedichtet werden und in den Mantel kommt eine Dichtmilch. Diese dichtet dann die letzten Stellen ab, an denen Luft entweichen kann. Im Falle eines Loches im Mantel verschließt sie dieses ebenso. Ist es zu groß, sodass die Milch nicht gerinnt, sondern herausspritzt, kommt ein Stopfen zum Einsatz, der zusammen mit der Milch das Problem im Nu beheben sollte.

Der Vorteil von Tubeless gegenüber einem Schlauch ist zum einen das selbstständige Abdichten von Löchern. Zum Anderen kann der Reifen mit weniger Druck gefahren werden. Das verleiht ihm mehr Auflagefläche und damit mehr Traktion. Bei Nässe oder im Gelände eine schöne Sache. Wird ein Reifen mit Schlauch mit geringerem Druck gefahren, so kann ein Stein bis auf die Felge durchschlagen, den Schlauch einklemmen und ein Loch hinein reißen, ohne durch den Mantel dringen zu müssen. Bei einem Tubeless Setup schwer möglich.

Natürlich hat Tubeless auch längst das Rennrad erreicht, jedoch werden so schmale Reifen ohnehin mit hohen Drücken gefahren. Druck ist Kraft pro Fläche. Um die gleiche Kraft zu genießen, die einen vom Boden fern hält muss ein schmalerer Reifen mit geringer Auflagefläche also mit einem höheren Druck gefahren werden. Zudem verringert dieser denn Rollwiderstand auf der Straße. Tubeless bietet sich daher eher für breite Reifen und anspruchsvolle Untergründe an, weshalb es kein Verlust ist, dass dieser Marathon Plus nicht für ein Tubeless Setup geeignet ist.

auf dem Müllberg, Hamburg Gravelrennenauf dem Hasselbrack, Harburger Berge, Hamburg GravelrennenSturz durch kleines Schlagloch, Gravelrennen

Resümee

Für mich der absolute Allrounder: Verhältnismäßig schnell auf der Straße, bietet etwas Gripp bei Nässe und im Gelände und ist einfach unzerstörbar. Für ein Rad, das nur schmale Rennrad-Bereifung aufnehmen kann, ein Gewinn, der einem so einige Möglichkeiten eröffnet. Ich mein, wer fährt schon Gravelrennen mit einem so schmalreifigen Rennrad? Wie aus meinem Bericht jedoch deutlich wird, hat auch dieser Reifen und vor allem auch mein Rennrad seine Grenzen, weshalb ich meine Flotte um n+1 Fahrrad erweitern werde. Falls sich mein Blick durch den Monster-Graveler ändern wird und ich mein Rennrad wieder mehr für die Straße ausrichte, werde ich diesen Bericht durch einen ergänzenden Kommentar updaten. Bis dahin: "Gute Fahrt!"

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